Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)

(Letzte Aktualisierung: 21.04.2021)

Artikel 2 des Grundgesetzes

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.


Das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit klingt zunächst wenig spektakulär oder vielleicht sogar ein wenig esoterisch. Unter Persönlichkeitsentfaltung werden häufig innerste persönliche Ausdrucksformen verstanden, die dem Staat ohnehin weitgehend entzogen sind.

Handlungsfreiheit ist allumfassend

Jedes staatliche Verbot stellt einen Eingriff in das Grundrecht der Handlungsfreiheit dar.
Jedes staatliche Verbot stellt einen Eingriff in das Grundrecht der Handlungsfreiheit dar.
Der Parlamentarische Rat, der das Grundgesetz formuliert hat, hatte jedoch ein sehr viel weiteres Verständnis der Entfaltung der Persönlichkeit. Die Persönlichkeitentfaltung sollte demnach jedes Tun oder Lassen umfassen, für das sich ein Mensch entscheidet. Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes verbürgt also nicht weniger als die allgemeine Handlungsfreiheit der Person.

Es handelt sich damit um das umfassendste Grundrecht, da im Ergebnis jede menschliche Entscheidung daruner fällt und sich jedermann in praktisch jeder Situation auf dieses Grundrecht berufen kann, wenn sich der Staat in seine Entscheidungen einmischen will.

Praktisch jede Rechtsnorm und jede behördliche Verfügung, die dem Bürger irgendeine Pflicht auferlegt oder irgendetwas untersagt, stellt einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit dar.

Einschränkung der Handlungsfreiheit leicht möglich

Nun könnte man meinen, dieses eine umfassende Grundrecht würde eigentlich ausreichen. Wozu braucht man die Religionsfreiheit, wenn ohnehin jede menschliche Handlung geschützt ist, egal ob religiös oder nicht? Es könnte ja ohnehin jeder tun und lassen, was er will, da dies stets – wie gerade ausgeführt – unter dem Schutz der freien Entfaltung der Persönlichkeit steht.

Das Bundesverfassungsgericht greift auf die allgemeine Handlungsfreiheit nur zurück, wenn kein spezielleres Grundrecht einschlägig ist.
Das Bundesverfassungsgericht greift auf die allgemeine Handlungsfreiheit nur zurück, wenn kein spezielleres Grundrecht einschlägig ist.
Das Problem an der allgemeinen Handlungsfreiheit ist aber, dass diese ohne besondere Voraussetzungen einschränkbar ist. Weil eben nicht jeder tun und lassen dürfen soll, was er möchte, kann der Staat dies dem Bürger jederzeit vorschreiben. Der Schutzumfang ist also sehr breit, dafür nicht sehr intensiv.

Spezielle Grundrechte bedeuten tieferen Schutz

Das ist der Unterschied zu den speziellen Grundrechten, die jeweils nicht jedes Tun und Lassen umfassen, sondern nur einen ganz engen Ausschnitt an Handlungen. Diese eng umgrenzten Freiheiten können dem Bürger dann nicht ohne Weiteres genommen werden.

Sofern also ein besonderes Grundrecht einschlägig ist, nützt einem dies deutlich mehr als die Handlungsfreiheit. Findet sich aber gar kein Grundrecht, das eine bestimmte Handlung schützt, kann man sich zur Not immer noch auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen, wenngleich es dann einiger Mühe bedarf, zu argumentieren, warum eine staatliche Regelung grundgesetzwidrig sein soll. Die allgemeine Handlungsfreiheit stellt also eine Art Reserve-Grundrecht dar.

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