Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG)

(Letzte Aktualisierung: 25.01.2023)

Artikel 10 des Grundgesetzes

(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.


Der Weg eines Briefes zwischen Absender und Empfänger ist grundgesetzlich geschützt.
Der Weg eines Briefes zwischen Absender und Empfänger ist grundgesetzlich geschützt.
Das Briefgeheimnis ist ein relativ altes Grundrecht. Schon früh hat man erkannt, dass Briefe ein sehr sensibler Bereich sind: Der Sender möchte dem Empfänger etwas übermitteln, das nur für diesen bestimmt ist. Der Inhalt ist oft vertraulich, nicht selten sehr persönlich oder auch von wirtschaftlichem Interesse. Zugleich birgt das schriftliche Niederlegen einer Nachricht aber immer die Gefahr, dass andere Personen davon Kenntnis nehmen können. In früheren Zeiten hatte man aber – mangels anderer Kommunikationsmöglichkeiten und oft langwieriger Reisewege – oft keine andere Chance.

Mit dem Fortschreiten der technischen Entwicklung und dem Wandel der Kommunikationsgewohnheiten haben sich jedoch mittlerweile ganz neue Schutzbereiche und auch ganz neue Herausforderungen und Gefahren für die Privatsphäre ergeben. In dieser Hinsicht muss auch das Grundrecht „modernisiert“ werden.

Nur Kommunikationsvorgang ist geschützt

Das Briefgeheimnis und das Post- und Fernmeldegeheimnis schützen die Privatsphäre von Menschen gegen Ausspäung. Wer also jemandem einen Brief schreibt oder ein Telephongespräch führt, kann sich auf das Post- bzw. Fernmeldegeheimnis berufen. Demnach sind staatliche Abhör- oder Abfangmaßnahmen grundsätzlich unzulässig.

Wichtig ist aber, dass sich dieses Geheimnis nur auf den Kommunikationsvorgang bezieht. Der auf dem Weg vom Absender zum Empfänger befindliche Brief darf nicht abgefangen und durch den Staat geöffnet werden. Sobald der Brief den Empfänger erreicht hat, gilt dies jedoch nicht mehr. Dann ist bspw. eine Beschlagnahme im Rahmen von staatlichen Ermittlungsmaßnahmen möglich. Wenn der Empfänger ein Schreiben dauerhaft aufhebt, ist er grundrechtlich gesehen „selbst schuld“. Dieses Risiko geht auch der Sender ein, indem er das Schreiben aus der Hand gibt und dem Empfänger anvertraut.

Begründete Eingriffe sind möglich

Ausnahmen vom Schutzbereich dieses Kommunikationsgeheimnisses sind aber aufgrund eines Gesetzes möglich, wie Abs. 2 Satz 1 anordnet. Dies sind in erster Linie strafprozessuale, in seltenen Fällen aber auch geheimdienstliche Maßnahmen. Zur Abwehr besonderer Gefahren ist ein Eingriff in dieses Grundrecht zulässig.

Von besonderer Bedeutung sind mittlerweile Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität. Deswegen, und auch wegen der stets wachsenden Rolle des Internets für die Kommunikation (siehe unten), sind hier auch internationale Problematiken zu beachten. Grundsätzlich sind auch Maßnahmen der deutschen Behörden, die sich im Ausland abspielen oder im Ausland wirken, anhand der deutschen Grundrechte zu messen. Bei der Übernahme von Erkenntnissen aus ausländischen Quellen sowie bei der Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden ist die genaue Relevanz der Grundrechte des Grundgesetzes noch nicht vollständig geklärt.

Auch neuartige Übermittlungsmethoden sind - teilweise durch das Postgeheimnis, teilweise durch andere Grundrechte - geschützt.
Auch neuartige Übermittlungsmethoden sind – teilweise durch das Postgeheimnis, teilweise durch andere Grundrechte – geschützt.
Bei allen Eingriffen ist aber stets die Intensität im Verhältnis zum angestrebten Zweck zu beachten. Je bedeutsamer das Rechtsgut ist, das geschützt werden soll, desto mehr darf in die Kommunikationsfreiheit eingegriffen werden.

Besonderer Schutz der Intimsphäre

Unantastbar ist jedoch in der Regel die innerste Intimsphäre des Menschen. Die Intimsphäre ist die innere Gedanken- und Gefühlswelt sowie der Sexualbereich eines Menschen. Hier genießt der Grundrechtsschutz weitestgehenden Vorrang vor Überwachungsinteressen des Staates. Dies kann bspw. bedeuten, dass die Überwachung einer Kommunikation abgebrochen und für eine gewisse Zeit ausgesetzt werden muss, wenn ein Gespräch Themen berührt, die zur Intimsphäre gehören. Die Gefahr, dass die Überwachung dann erst „zu spät“ fortgesetzt wird und Inhalte verpasst, die abgehört werden dürften, muss insoweit eingegangen werden.

Nicht hierauf berufen können sich jedoch Gesprächspartner, die – offenbar in Kenntnis der Rechtsprechung – gezielt immer wieder intime Details in ihre Kommunikation einflechten, um so die Überwachung zu torpedieren. Wer Informationen aus der Intimsphäre als Mittel zum Zweck einsetzt, kann sich nicht auf deren Schutz berufen.

Bei der Ermittlung oder Verhinderung schwerster Straftaten darf dagegen auch in Kauf genommen werden, dass Tatsachen aus dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung aufgezeichnet werden. Lediglich auf der Ebene der Auswertung dieser Aufzeichnung muss dann für eine Löschung der konkreten die Intimsphäre berührenden Passagen gesorgt werden. Insoweit ist der Gesetzgeber verpflichtet, die dem Schutz der Intimsphäre dienenden Verfahrensschritte genau festzulegen. Zudem dürften Gespräche in einem besonderen Vertrauensverhältnis (z.B. zu Geistlichen, engsten Verwandten oder Rechtsanwälten) auch dann von jeder Überwachung ausgenommen sein.

Anpassung an moderne Kommunikationsmittel

Soweit neuartige Übermittlungswege wie E-Mail oder andere Internet- oder Mobilkommunikation benutzt werden, sind diese nach aktueller Ansicht zwar nicht vom Brief- oder Postgeheimnis, aber allesamt vom Fernmeldegeheimnis umfasst.

Probleme ergeben sich aber unter Umständen bei der Auslegung dahingehend, wann der Kommunikationsvorgang beendet und damit Art. 10 GG nicht mehr anwendbar ist. Denn häufig wird die Nachricht nicht unmittelbar an den Empfänger übertragen, sondern nur auf dem Server des Providers abgelegt. Damit ist zwar einerseits die Übertragung aus Sicht des Absenders beendet, andererseits aber das Erreichen des Empfängers noch nicht sichergestellt. Jedenfalls bis zum ersten Abrufen der E-Mail durch den Empfänger über sein E-Mail-Programm bzw. über die Webmaii-Oberfläche dürfte der Übertragungsvorgang nicht abgeschlossen sein.

Mögliche Schutzlücken schließt auch das von der Rechtsprechung entwickelte sogenannte Computergrundrecht, das einen ähnlichen Schutz gewährt, soweit es um technische Eingriffe in Computer und Netzwerke geht, die eine Überwachung erst ermöglichen sollen.

Überprüfung durch Kommission

Nachrichtendienstliche Überwachungsmaßnahmen dienen der Sicherheit und der Verhinderung von Straftaten. Diese sind daher häufig gerade darauf angewiesen, dass sie dauerhaft geheim bleiben und auch den Betroffenen nicht bekannt gegeben werden. Dies bedeutet dann aber, dass der Rechtsschutz deutlich eingeschränkt ist: Wer nichts von seiner Überwachung weiß, kann sich nicht wehren. Und wo kein Kläger, da kein Richter.

Als Ersatz dafür sieht Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG vor, dass durch Gesetz angeordnet werden kann, dass „an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt“. Davon hat der Gesetzgeber durch das sogenannte Artikel-10-Gesetz Gebrauch gemacht, das als Überprüfungsorgan die sogenannte G-10-Kommission eingerichtet hat.

Davon abgesehen bleibt es aber beim ganz normalen Rechtsweg und der Nachprüfung durch Gerichte im Bereich des Strafrechts bzw. des Verwaltungsrechts.

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