Im juristischen Bereich ist man es gewöhnt, dass Gerichte Anträge oder Rechtsmittel als unbegründet ansehen. Das bedeutet dann, dass die Beweismittel oder die rechtlichen Gesichtspunkte, die man dafür vorgetragen hat, aus Sicht des Gerichts nicht erfolgreich waren. Insoweit handelt es sich um eine recht normale Sache: Beide Seiten haben ihre Argumente dargelegt, aber nur eine kann gewinnen.
Normale Prozesse: Unzulässigkeit deutet auf Fehler hin
Anders ist es dagegen, wenn eine Prozesshandlung als unzulässig verworfen wird. Dies bedeutet häufig, dass man irgendeinen formellen Fehler gemacht hat, der es dem Gericht verwehrt hat, den Inhalt überhaupt zu prüfen. Der Anwalt hat die Frist versäumt, die Übermittlungsvorschriften nicht gewahrt, irgendwelche Unterlagen nicht eingereicht oder ähnliches.
Bei der Verfassungsbeschwerde ist das anders.
Zwar kann es auch hier formelle Fehler geben – sogar noch deutlich leichter als bei anderen Verfahren, weil die Anforderungen viel höher sind und die Frist viel starrer ist. Aber auch ohne formellen Fehler ist die Unzulässigkeit die Regel. Nur meint das Bundesverfassungsgericht damit etwas anderes als die Fachgerichte.
Verfassungsbeschwerde: Zulässigkeit setzt vorläufige Begründetheit voraus
Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde auch dann, wenn das Bundesverfassungsgericht von rechtlichen Argumenten schlicht nicht überzeugt ist. Und diese Überzeugungsbildung muss auch wieder hohe Hürden überspringen: Man muss erläutern, warum die Urteile von meist zwei oder drei Gerichten falsch sind. Und zwar ausschließlich deswegen falsch sind, weil die Richter sich dabei nicht mit den Grundrechten auseinandergesetzt haben.
Dafür reicht es nicht, Zweifel zu säen und vielleicht ein paar gute Argumente anzuführen. Man trägt als Verfassungsbeschwerdeführer die komplette Beweislast und kann die Verfassungswidrigkeit der Entscheidungen ausschließlich mit den Verfahrensunterlagen belegen. Reichen dem Bundesverfassungsgericht diese Erläuterungen nicht aus, um die Entscheidungen aufzuheben und ein neues Verfahren anzuordnen, wird es die Verfassungsbeschwerde als unzulässig verwerfen.
Häufig wird der Nichtannahmebeschluss dann entweder gar nicht oder mit den Floskeln begründet, dass die Substantiierung der Verfassungsbeschwerde nicht ausreicht oder die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht aufgezeigt wurde. Auch das muss man als Ergebnis begreifen: Natürlich wurde die Beschwerde substantiiert und die Möglichkeit der Verletzung dargelegt, aber die Argumente konnten sich im Endeffekt nicht durchsetzen.
Meinung des Gerichts kann sich aber ändern
Zulässig, aber unbegründet sind Verfassungsbeschwerden dagegen in der Regel nur, wenn sie das Gericht (genauer: der zuständige Sachbearbeiter) nach erster Prüfung für erfolgreich hält, aber nach weiterer Verhandlung (schriftlich oder mündlich) mit den übrigen Beteiligten seine Meinung ändert.
Das wiederum ist relativ selten der Fall. Hat sich das Gericht einmal in einer gewissen Richtung festgelegt, bleibt es in der Regel dabei. Denn die Vorprüfung geschieht erfahrungsgemäß keineswegs leichtfertig, sondern in aller gebotenen Tiefe. Daher ist es auch, wenn man auf der Gegenseite einer Verfassungsbeschwerde steht, sinnvoll, sich frühzeitig dagegen vertreten zu lassen.
Praxis bei Landesverfassungsgerichten und EGMR
Interessanterweise haben die meisten Landesverfassungsgerichte diese Zuordnung inhaltlicher Gesichtspunkte zur Frage der Zulässigkeit nicht übernommen. Hier ist eine Landesverfassungsbeschwerde meist nur unzulässig, wenn die Darstellung des Sachverhalts nicht ausreichend ist.
Dafür nimmt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Einteilung fast genauso vor wie das Bundesverfassungsgericht und erklärt nahezu alle Menschenrechtsbeschwerden für unzulässig, weil er die vorgebrachten EMRK-Verletzungen nicht für nachgewiesen hält.